Kinderarmut ist kein Schicksal

Fachtagung „Kinderarmut. Was kann die Kita tun?“

Etwa jedes vierte Kind unter 14 Jahren lebt in Sachsen-Anhalt in einem Hartz-IV-Haushalt. Als armutsgefährdet gelten seit Jahren nahezu unverändert knapp 20 Prozent der Minderjährigen. „An Weihnachten auf Baum und Geschenke zu verzichten, auf Klassenfahrten nicht mitfahren zu können und wegen seiner alten Schuhe gehänselt zu werden: Materielle Entbehrungen, mangelnde Teilhabe und belastende Lebensumstände sind Alltag für viele Kinder im Land“, betont Cornelia Lüddemann Vorsitzende der Landtagsfraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Mit der Fachtagung „Kinderarmut. Was kann die Kita tun?“ hat die grüne Landtagsfraktion das drängende Problem der Kinderarmut und die anstehende Überarbeitung des Kita-Gesetzes des Landes zusammengebracht. Zahlreiche Erzieher*innen und Vertreter der Verbände nahmen daran teil und schlossen sich der Diskussion an.

„Wir halten Kitas für zentrale Orte, um Armut zu bekämpfen und Kindern Schutzfaktoren gegen sozio-ökonomischen Benachteiligung mit auf den Weg zu geben“, sagt Lüddemann und führt weiter aus: „Als Land steht man vermeintlich ohnmächtig vor dem Problem der Kinderarmut. Direkte materielle Hilfen liegen nicht in unserer Hand: Die Erhöhung der Hartz IV-Regelsätze für Kinder, die Erhöhung des Mindestlohnes oder die grüne Vision einer Kindergrundsicherung betreffen den Bund. Aber ich nehme als positives Ergebnis unserer Fachtagung mit: Auch Landespolitik kann viel bewegen, um Kinder zu stärken und Armut entgegen zu wirken“.

Entsprechend betonte Alexander Stauß von der Fachhochschule in Erfurt in seinem Vortrag, das eine demokratische Kita Dreh- und Angelpunkt einer nachhaltigen Armutsprävention ist. Solche Kitas, die Mitbestimmung und Beteiligung der Kinder ermöglichen, fördern deren Selbstbewusstsein und Handlungskompetenz. Beides sind entscheidende Punkte, um mit widrigen Lebensumständen besser zurecht zu kommen.

Gleichzeitig kann die Kita über eine Erziehungspartnerschaft mit den Eltern viel bewirken wie es Susanne Borkowski von 

kinderstären e. V. in ihrem Vortrag schilderte. Gerade „erschöpfte Familien“, die von Armut und mangelnder Teilhabe betroffen sind, können bei der Erziehung und Bildung ihrer Kinder unterstützen werden. Kitas können auf diesen Wegen Schutzfaktoren gegen Armut fördern, damit Armut kein Schicksal bleibt.

Für diese beiden Ansätze braucht es aber mehr Zeit in den Kitas. Erzieher*innen haben in den Diskussionen im Anschluss an die Vorträge eindringlich von ihrer täglichen Überlastung berichtet, wenn viele Kinder mit besonderen Bedarfen in den Kita-Gruppen sind.

„Die Veranstaltung hat mich darin bestärkt, dass die Verabredung aus dem Koalitionsvertrag, eine Sonderförderung für Kitas in,sozialen Brennpunkten‘ zu entwickeln, der richtig Weg ist. Besondere Bedarfe bedürfen einer besonderen Förderung“, so Lüddemann. „Andere Bundesländer sind diesen Weg bereits gegangen. Daher war der Vortrag von Dr. Irina Volf vom Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik aus Frankfurt für mich besonders gewinnbringend. Die von ihr vorgestellten Evaluationsergebnisse aus Hamburg, Hessen und Berlin haben wichtige Frage für die Diskussion im Land aufgeworfen.“

Diese Einschätzung fand in den Diskussionen breite Unterstützung. In kleinen Gruppen an drei verschiedenen Tischen tauschten die Teilnehmer*innen ihre Erfahrungen aber auch Erwartungen aus. „Es ist zunächst unerlässlich, die Kitas besser mit Personal auszustatten und dabei auf eine multiprofessionelle, den Förderbedarfen angepasste Ressourcenverteilung zu achten. Darüber hinaus ist eine Sonderförderung von Kindertageseinrichtungen, die in besonderem Maße Kinder aus armen und von Armut bedrohten Familien betreuen, dringend notwendig“, sagte Frank Wolters von Bildungsgewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW).

Nicole Anger vom Paritätischen Wohlfahrtsverband stellte fest: „Kinderarmut ist stets Familienarmut. Kinder können nichts für die sozioökonomische Lage ihrer Eltern. Deshalb gilt es unabweislich, jedes Kind gleich zu behandeln und jedem Kind die gleichen Teilhabemöglichkeiten zu eröffnen. Kita ist dabei ein wesentlicher Handlungsraum. Um das erfolgreich umzusetzen, brauchen wir einen weiteren Qualitätsausbau mit Blick auf Kinder und Erzieher*innen in unseren Kindertageseinrichtungen.“

Cornelia Lüddemann kündigte nach der Veranstaltung an, die Sonderförderung für Kitas mit besonderen Bedarfen weiter vorantreiben zu wollen. Diese ist bereits im Koalitionsvertrag vereinbart. „Nach welchen Indikatoren die Sonderförderung erfolgen, welche Förderzwecke festgelegt werden und natürlich in welcher Höhe die Sonderförderung erfolgen soll: Auf diese Fragen müssen wir im Land schnell Antworten finden, damit wir unser Ziel auch erreichen“, sagte Lüddemann abschließend.

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